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GESUNDHEITSMAGAZIN

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NESSELSUCHT

Therapie

Das plötzliche

Jucken und Brennen

Zumindest jeder Vierte leidet einmal im Leben unter Nesselsucht.

Warum es dazu kommt, ist für Mediziner besonders bei der

chronischen Urtikaria nach wie vor ein Rätsel.

URSULA RISCHANEK

Q

uälender Juckreiz, eine geröteteHaut

und wandernde, oft großflächige

Quaddeln, gelegentlich auch Schwel-

lungen des Unterhautgewebes (Angioödeme)

– bei einerNesselsucht (Urtikaria) treten die-

se Symptome auf der Haut oder Schleimhaut

ganz plötzlich auf. Und das nicht zu selten:

„Nesselsucht kann jeder kriegen“, sagt And-

reas Steiner, Leiter derDermatologischenAb-

teilung imKHHietzing. Der Literatur zufolge

ist jeder Vierte einmal in seinemLeben davon

betroffen – sei es in der akuten, sei es in der

chronischen Form. Um welche Form es sich

konkret handelt, wird von der Dauer

der Erkrankung bestimmt. „Die akute

Nesselsucht dauertmeist nur ein paar

Tage“, erklärt Wolfram Hötzenecker,

Vorstand der Klinik für Dermatologie

und Venerologie am Linzer Kepler

Universitätsklinikum. Halten die Be-

schwerden länger als sechs Wochen

an und kehren sie immer wieder,

spricht man von chronischer Urtika-

ria.Wobei auch diese denmeisten Pa-

tienten nicht ewig bleibt: „Nach einem

Jahr verliert die Hälfte von ihnen die

Krankheit, im Jahr darauf wieder 50

Prozent“, sagt Hötzenecker. Nur we-

nige Betroffene würden mehr als fünf

Jahre darunter leiden. Übrigens: An-

steckend ist der weit verbreitete

Hautausschlag nicht. Und auch nicht

gefährlich – außer Lippen, Zunge

oder Kehlkopf schwellen stark an.

„Spätestens dann sollte man zum Arzt“, rät

Steiner, der in diesemFall Kortisonpräparate

verschreibt.

MULTIFAKTORIELLE URSACHEN.

Was den

Hautausschlag beim jeweiligen Betroffenen

hervorruft, ist oft gar nicht eindeutig festzu-

stellen. „Urtikaria ist eine multifaktorielle

Erkrankung. Vor allem bei der chronischen

Urtikaria kann man in 90 Prozent gar nicht

ödeme entstehen. „Quaddeln entstehen des-

halb, weil die Gefäße eben durchlässiger

werden und sich dadurch im Hautgewebe

mehr Flüssigkeit ansammeln kann“, erklärt

Steiner. Der Leidensdruck der Betroffenen

ist groß, kommen doch zum permanenten

Juckreiz in der Regel Schlafmangel, oft

Schwäche und sozialer Rückzug dazu.

SYMPTOME BEKÄMPFEN.

Die dauerhafte

Symptomfreiheit für jedenPatienten ist daher

primäres Ziel der Therapie. In der Regel set-

zen die Mediziner bei der Behandlung auf

Antihistaminika, die bis zur vierfa-

chen Dosis als etwa bei Allergien üb-

lich verabreicht werden können. Sie

dämmen die Wirkung des Histamins

ein, indem sie an den entsprechenden

Rezeptoren andocken und diese so

blockieren. „Damit ist vor allem die

akuteUrtikaria gut behandelbar“, sagt

Steiner. Bei der chronischen Form

greifen diese Mittel allerdings nicht

immer. Ist das der Fall, kommt seit ein

paar Jahren eine Antikörpertherapie

zum Einsatz. Diese großen, sehr spe-

zifischen Proteine heften sich an be-

stimmte Strukturen und setzen diese

außer Gefecht, ohne das gesamte Im-

munsystem zu schwächen. „Bei Urti-

karia wird konkret Immunglobulin E

(IgE) gehemmt“, sagt Steiner. Alle

vier Wochen wird die Antikörperthe-

rapie mittels Injektion subkutan ver-

abreicht, ihre Langzeitverträglichkeit ist aller-

dings noch nicht geklärt. Damit ist das Ende

der Fahnenstange aber noch nicht erreicht –

vor allem, da auch diese Therapie nicht bei

jedem Patienten wirkt. „Im Bereich Antikör-

per läuft einiges an Forschung“, berichten die

beiden Experten. Ebenfalls geforscht wird

übrigens noch an einem anderen Aspekt: Wa-

rum nämlich Frauen öfter von chronischer

Urtikaria betroffen sind als Männer.

Foto: Getty Images

die Ursache finden“, sagt Hötzenecker. Was

man allerdings weiß, ist, dass Sonne, Kälte,

Allergien, Unverträglichkeiten, Infekte, un-

entdeckte Entzündungen, Medikamente

oder Stress grundsätzlich zu den Auslösern

gehören. Sie können von einem Tag auf den

anderen zu einer Überreaktion spezieller

Wächterzellen im Blut führen: Konkret

schütten die sogenannten Mastzellen ver-

mehrt den Botenstoff Histamin aus, der Ent-

zündungen fördert. Dadurch weiten sich die

Blutgefäße, die Nervenfasern der Haut wer-

den gereizt, es können Quaddeln und Angio-

Plötzliche, großflächige Quaddeln sind typisch

für Nesselsucht, die Auslöser sind vielfältig.