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GESUNDHEITSMAGAZIN
Prävention
WARNSIGNALE
Veränderungen der Fingernägel können auf
unerkannte Erkrankungen hinweisen.
Die leisen Hinweise
Haarausfall und Veränderungen an den Nägeln sind nicht nur ein kosmetisches
Problem. Manchmal können sie auch Warnsignal für eine ernste Erkrankung sein.
ANDREA RIEDEL
H
aarausfall ist zwar für viele Men-
schen eine seelische Belastung, in
den meisten Fällen aber harmlos.
„Bis zuhundertHaare täglich ist ganz normal“,
sagt Daisy Kopera von der Grazer Universi-
tätsklinik für Dermatologie. In neun von zehn
Fällen ist eine Sensibilität der Haarwurzeln
gegenüber männlichen Hormonen für den
Haarausfall verantwortlich. Ob und wie stark,
ist eine Frage der Genetik. Neben diesemnor-
malen Mechanismus beeinträchtigen auch
Stresshormone sowiedieHormonederSchild-
drüse (bei Unter- wie auchÜberfunktion) den
Haarwuchs. Darüber hinaus kannHaarausfall
eineMangelerscheinung sein, vor allem, wenn
es an Eisen fehlt.Wenn zumHaarverlust noch
Müdigkeit und Abgeschlagenheit hinzukom-
men, ist eine Laboruntersuchung angesagt.
Auch nach Operationen mit hohem Blutver-
lust kann es zuHaarausfall kommen.
NEBENWIRKUNG VON MEDIKAMENTEN.
Nicht selten ist eine Medikamenten-Neben-
wirkung der Grund für schütterer werdendes
Haar. Nicht nur Chemotherapie, auch gängige
Medikamente, unter anderemBlutverdünner,
Betablocker oder Cholesterinsenker, kommen
als Auslöser infrage. Die Ursache kann aber
auch „vor Ort“ liegen: In Form einer Bakte-
rien- oder Pilzinfektion. Ein Sonderfall ist der
kreisrunde Haarausfall. Auslöser ist hier eine
Überreaktion des Immunsystems. Kopera:
„An der Med-Uni Graz forschen wir an dieser
Erkrankung, die in jedem Alter auftreten
kann. DieHinweise auf Stress als Auslöser ha-
ben sich verdichtet“, sagt Kopera. Gegenmittel
sind in erster Linie Vermeidung oder besserer
Umgang damit. Sehr selten, aber ernst ist ver-
narbender Haarausfall, hinter dem sich oft
eine Autoimmunerkrankung verbirgt.
Davon, Haarausfall in Eigenregie zu behan-
deln, rät die Hautärztin grundsätzlich ab:
„Eine Therapie hat nur Chancen auf Erfolg,
wenn man die Ursache kennt. Dafür braucht
es ein ausführliches Patientengespräch.Wich-
tige erste Schritte sind die Untersuchung der
Kopfhaut, Durchsicht derMedikamentenliste
und, wenn nötig, eine Laboruntersuchung.“
Während fürHaarausfall meist Hormone ver-
antwortlich sind, gibt es bei Veränderungen
der Finger- oder Fußnägel keinen „Hauptver-
dächtigen“. Die Palette möglicher Ursachen
reicht von leicht zu behebenden Nährstoff-
mängeln bis hin zu schweren Erkrankungen.
NÄGEL ALS INDIKATOR.
KrankhafteNagel-
veränderungen zeigen sich eher an den Fin-
ger- als an den Fußnägeln, können aber auch
dort auftreten. Etwa ungewöhnlicheWölbun-
gen. Löffelförmig nach innen sinken die Nägel
meist dann, wenn es dem Körper an Eisen
fehlt und die Konzentration an roten Blutkör-
perchen zu gering ist. „Das ist zwar in den
meistenFällen nicht akut gefährlich, man soll-
te dem Hinweis aber nachgehen, rät die Wie-
ner Dermatologin Eva-Maria Kokoschka.
Problematischer ist es, wenn sich die Nägel in
kurzer Zeit in Längsrichtung nach oben wöl-
ben und die Fingerkuppen rundlich anschwel-
len: Solche „Trommelschlegel-Finger“ entste-
hen durch chronischen Sauerstoffmangel, der
auf eine ernsthafte Erkrankung vonHerz oder
Lunge hindeuten kann, bei Kindern auch auf
eine angeborene Herzschwäche.
Gelbe Verfärbungen hingegen sind meist eine
harmlose Alterserscheinung. Wölben sich die
Nägel aber zusätzlich nach oben, kann es sich
ums „Gelbe-Nagel-Syndrom“ handeln, das
auf eine gefährliche Störung von Leber oder
Lunge hindeutet. Eine ins grünliche gehende
Farbe deutet auf eine Pilzinfektion hin. Nie-
renfunktionsstörungen zeigen sich oft an
„Halb-halb-Nägeln“, bei denen die ans Nagel-
bett grenzende Hälfte weiß, die andere rosa
gefärbt ist. Weiße Flecken wiederum entste-
hen, wenn sich Luftbläschen im Nagel einla-
gern – eine häufige Folge von kleinen Verlet-
zungen bei der Maniküre oder von
Kalziummangel.
ALARMSIGNAL FÜR DIABETIKER.
„Zebra-
artige Querstreifen sind hingegen für Diabeti-
ker ein Alarmsignal: Die Nierenfunktion
könnte sich verschlechtert haben“, warnt Ko-
koschka. Auch Lebererkrankungen wie chro-
nische Zirrhose können sich so bemerkbar
machen. Bräunliche oder blauschwarze Fle-
cken oder Längsstreifen, die nur bei einem
Nagel auftreten und nicht auf eine Quet-
schung zurückzuführen sind, sollte man
schnellstmöglich dem Hautarzt zeigen, es
könnte sich um einen Tumor handeln. „So-
wohl schwarzer als auch weißer Hautkrebs
kommt auch unter den Nägeln vor. Je früher
er entdeckt wird, desto weniger aufwendig
sind Entfernung und Nachbehandlung“, be-
tont die Hautärztin. Blaue Blutungen, die wie
Tintenspritzer aussehen, können bei einer
Sepsis auftreten, aber auch als Spätfolge von
Scharlach, wenn sich imZuge eines rheumati-
schen Fiebers die Herzinnenhaut entzündet.
„Wann eine Veränderung harmlos ist und
wann nicht, lässt sich nicht pauschal sagen“,
räumt Kokoschka ein. Eine Faustregel: Wenn
sich Nägel in kurzer Zeit (innerhalb weniger
Wochen, manchmal Tage) verändern, ohne
dass man sich verletzt hat, und die Verände-
rung anmehreren, meist allenNägeln auftritt,
sollteman damit zumHautarzt. Einewichtige
Ausnahme ist Hautkrebs: Er tritt in der Regel
nur an einem Nagel auf und gehört auf jeden
Fall so rasch wie möglich behandelt.
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