GESUNDHEITSMAGAZIN
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ratung in medizinischen, sozialrechtlichen
oder Ernährungsfragen und Beratung zur
Bewegungstherapie sowie ein breitgefächer-
tes Angebot an Fachvorträgen und Gruppen“,
sagt Isak.
NACHFRAGE GRÖSSER ALS ANGEBOT
.
Die Nachfrage nach psychoonkologischer
Betreuung, die vor allem patientenzentriert,
ressourcen- und lösungsorientiert ist, ist
groß. Doch obwohl das nationale Krebsrah-
menprogramm als Ziel definiert, für „alle
Personen mit der Diagnose Krebs, deren An-
gehörige sowie für spezielle Personengrup-
pen mit einem definierten erhöhten Krebs-
risiko ein psychoonkologisches Betreuungs-
angebot sicherzustellen“, ist Österreich noch
weit davon entfernt. „Die Nachfrage über-
steigt das Angebot bei weitem“, sagt Patricia
Göttersdorfer, Psychoonkologin und Obfrau
der Österreichischen Plattform für Psycho-
onkologie. Dazu komme, dass die psychoon-
468 Gesundheitsfachkräfte
aus Medizin,
Psychologie, Pflege, Pädagogik, Sozialarbeit,
Theologie etc. mit onkologischer Praxiserfah-
rung haben in den letzten 20 Jahren einen
psychoonkologischen Lehrgang einer entspre-
chenden Fachgesellschaft absolviert, heißt es
in dem im Februar präsentierten Psychoonko-
logiebericht des Gesundheitsministeriums. Der
Frauenanteil unter den Absolventen liegt bei
85 Prozent. Sogenannte PSY-Berufe stellen mit
46 Prozent die größte Absolventenberufsgrup-
pe, gefolgt von den medizinischen (31 Prozent)
und den pflegerischen Berufen (14 Prozent).
www.oegpo.at,
www.krebshilfe.netGesundheits-
INFO
Onkologie
PSYCHOLOGISCHE BETREUUNG
Mitleid seien in vielen Fällen eine zusätzli-
che Belastung für die Betroffenen. „Sie wün-
schen sichMitgefühl, keinMitleid“, weiß die
Psychologin.
ZEIT FÜR DEN PATIENTEN.
Angesichts der
massiven Belastungen habe, so die Expertin-
nen, die psychoonkologische Begleitung da-
her absolut ihre Berechtigung. „Rund 30
Prozent der Patienten entwickeln behand-
lungswürdige Symptome wie Depressionen,
Angstzustände oder Panikattacken“, sagt
Isak. Mit ihrem Team führt die Psychoonko-
login rund 4000 Beratungen pro Jahr allein
in der Bundeshauptstadt durch, in den insge-
samt über 50 Beratungsstellen österreich-
weit sind es zwischen 22.000 und 25.000 pro
Jahr. Ein wesentlicher Faktor dabei sei es, für
die Patienten Zeit zu haben. „Daran fehlt es
oft in den Krankenhäusern“, sagt Isak. Aber
nicht nur die Betroffenen, sondern auch die
Angehörigen suchen – oft gemeinsam – den
Rat der Psychoonkologen. Denn die Erkran-
kung würde sich gleichsam als „neues Mit-
glied“ in das System Familie drängen und
dieses erschüttern, beschreibt Isak. Etwa da-
durch, dass Aufgaben umverteilt werden
müssten. Oder dadurch, dass die Partner aus
falsch verstandenemMitgefühl Ängste nicht
aussprechen würden. Das gelte ganz beson-
ders für Kinder. „Kinder haben ein Recht da-
rauf, zu erfahren, wenn ein Elternteil Krebs
hat“, sagt die Expertin. Und Adrian ergänzt:
„Kinder sind sehr sensibel und merken na-
türlich, dass etwas nicht stimmt. Etwa, wenn
dieMutter auf einmal dauernd müde ist oder
ihr die Haare ausgehen.“ Ihnen dann zu sa-
gen, dass alles in Ordnung sei, würde die Kin-
der in Bezug auf ihre Wahrnehmung nur ver-
unsichern. Unter demTitel „Mama/Papa hat
Krebs“ gibt es bei der Krebshilfe Wien sowie
in einzelnen Bundesländern ein eigenes Pro-
gramm für betroffene Kinder und Jugendli-
che zwischen vier und 18 Jahren. „Dabei nä-
hert man sich dem Thema bei jüngeren
Kindern in spielerischer Form“, beschreibt
Isak.
VIELFÄLTIGE INTERVENTIONEN.
Die
Bandbreite der möglichen Interventionen in
der Psychoonkologie ist groß: Sie reicht von
der Vermittlung von Entspannungstechniken
über Gesprächstherapie bis zu medikamen-
töser Unterstützung in Kooperation mit
Fachärzten für Psychiatrie und Neurologie.
„Bei uns gibt es beispielsweise auch noch Be-
kologische Betreuung zwar während der
Akutphase im Krankenhaus von den Kran-
kenkassen bezahlt werde, nicht aber im ex-
tramuralen Bereich, also wenn der Patient
wieder daheim ist. Damit komme die Nach-
sorge zu kurz, sind sich Adrian und Isak einig.
„Das Ziel, psychoonkologische Behandlung
für alle, finanziert von der Krankenkasse, ist
der zentrale Wunsch aller Behandler“, be-
kräftigt Göttersdorfer.
NACHBETREUUNG IMMENS WICHTIG.
Und zwar eben auch dann, wenn die medizi-
nische Behandlung abgeschlossen wurde.
„Der größte Bedarf an Beratung und Betreu-
ung besteht im zweiten Jahr nach der Diag-
nose. Jeder, der in der Therapie arbeitet,
weiß, dass erst nach der medizinischen Be-
handlung die psychologische Therapie so
richtig beginnt“, sagt Göttersdorfer. Das
habe viele Gründe: Zum einen seien viele Be-
troffene nach ihrer Akuterkrankung durch
Neuropathien, Dauermüdigkeit und Leis-
tungsschwäche beeinträchtigt. Nicht zu ver-
gessen die Angst vor einem Rezidiv. Studien
zufolge leiden Krebspatienten fünf Jahre
nach Diagnosestellung unter Rezidiv- und
Zukunftsängsten, die wiederum zu psycho-
vegetativen Syndromen wie Schlafstörun-
gen, Müdigkeit oder Erschöpfung führen
können. Ein weiterer Punkt sei, dass die Um-
gebung mit den Rekonvaleszenten oft die
Geduld verliere. „Sie glaubt, dass nach der
letzten Behandlung auf einmal alles gut ist“,
sagt Isak. Dabei würden die Betroffenen
nach vielen Monaten körperlich und psy-
chisch belastender und anstrengender
Untersuchungen, mühevoller Behandlungen
und operativer Eingriffe für die Rückkehr in
den Alltag Zeit brauchen. Das Umfeld würde
wiederum häufig beginnen, Bilanz zu ziehen
und sich neu zu orientieren. „Das gilt für die
Partnerschaft genauso wie für den Freundes-
kreis oder auch den Beruf“, so die Expertin-
nen. Psychologische Betreuung in dieser
Phase sei daher ebenfalls vonnöten.
Der Bedarf an Beratung und Betreuung besteht auch
dann weiter, wenn die medizinische Behandlung
abgeschlossen wurde, und ist im zweiten Jahr nach
der Diagnose am größten.