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GESUNDHEITSMAGAZIN

59

ratung in medizinischen, sozialrechtlichen

oder Ernährungsfragen und Beratung zur

Bewegungstherapie sowie ein breitgefächer-

tes Angebot an Fachvorträgen und Gruppen“,

sagt Isak.

NACHFRAGE GRÖSSER ALS ANGEBOT

.

Die Nachfrage nach psychoonkologischer

Betreuung, die vor allem patientenzentriert,

ressourcen- und lösungsorientiert ist, ist

groß. Doch obwohl das nationale Krebsrah-

menprogramm als Ziel definiert, für „alle

Personen mit der Diagnose Krebs, deren An-

gehörige sowie für spezielle Personengrup-

pen mit einem definierten erhöhten Krebs-

risiko ein psychoonkologisches Betreuungs-

angebot sicherzustellen“, ist Österreich noch

weit davon entfernt. „Die Nachfrage über-

steigt das Angebot bei weitem“, sagt Patricia

Göttersdorfer, Psychoonkologin und Obfrau

der Österreichischen Plattform für Psycho-

onkologie. Dazu komme, dass die psychoon-

468 Gesundheitsfachkräfte

aus Medizin,

Psychologie, Pflege, Pädagogik, Sozialarbeit,

Theologie etc. mit onkologischer Praxiserfah-

rung haben in den letzten 20 Jahren einen

psychoonkologischen Lehrgang einer entspre-

chenden Fachgesellschaft absolviert, heißt es

in dem im Februar präsentierten Psychoonko-

logiebericht des Gesundheitsministeriums. Der

Frauenanteil unter den Absolventen liegt bei

85 Prozent. Sogenannte PSY-Berufe stellen mit

46 Prozent die größte Absolventenberufsgrup-

pe, gefolgt von den medizinischen (31 Prozent)

und den pflegerischen Berufen (14 Prozent).

www.oegpo.at

,

www.krebshilfe.net

Gesundheits-

INFO

Onkologie

PSYCHOLOGISCHE BETREUUNG

Mitleid seien in vielen Fällen eine zusätzli-

che Belastung für die Betroffenen. „Sie wün-

schen sichMitgefühl, keinMitleid“, weiß die

Psychologin.

ZEIT FÜR DEN PATIENTEN.

Angesichts der

massiven Belastungen habe, so die Expertin-

nen, die psychoonkologische Begleitung da-

her absolut ihre Berechtigung. „Rund 30

Prozent der Patienten entwickeln behand-

lungswürdige Symptome wie Depressionen,

Angstzustände oder Panikattacken“, sagt

Isak. Mit ihrem Team führt die Psychoonko-

login rund 4000 Beratungen pro Jahr allein

in der Bundeshauptstadt durch, in den insge-

samt über 50 Beratungsstellen österreich-

weit sind es zwischen 22.000 und 25.000 pro

Jahr. Ein wesentlicher Faktor dabei sei es, für

die Patienten Zeit zu haben. „Daran fehlt es

oft in den Krankenhäusern“, sagt Isak. Aber

nicht nur die Betroffenen, sondern auch die

Angehörigen suchen – oft gemeinsam – den

Rat der Psychoonkologen. Denn die Erkran-

kung würde sich gleichsam als „neues Mit-

glied“ in das System Familie drängen und

dieses erschüttern, beschreibt Isak. Etwa da-

durch, dass Aufgaben umverteilt werden

müssten. Oder dadurch, dass die Partner aus

falsch verstandenemMitgefühl Ängste nicht

aussprechen würden. Das gelte ganz beson-

ders für Kinder. „Kinder haben ein Recht da-

rauf, zu erfahren, wenn ein Elternteil Krebs

hat“, sagt die Expertin. Und Adrian ergänzt:

„Kinder sind sehr sensibel und merken na-

türlich, dass etwas nicht stimmt. Etwa, wenn

dieMutter auf einmal dauernd müde ist oder

ihr die Haare ausgehen.“ Ihnen dann zu sa-

gen, dass alles in Ordnung sei, würde die Kin-

der in Bezug auf ihre Wahrnehmung nur ver-

unsichern. Unter demTitel „Mama/Papa hat

Krebs“ gibt es bei der Krebshilfe Wien sowie

in einzelnen Bundesländern ein eigenes Pro-

gramm für betroffene Kinder und Jugendli-

che zwischen vier und 18 Jahren. „Dabei nä-

hert man sich dem Thema bei jüngeren

Kindern in spielerischer Form“, beschreibt

Isak.

VIELFÄLTIGE INTERVENTIONEN.

Die

Bandbreite der möglichen Interventionen in

der Psychoonkologie ist groß: Sie reicht von

der Vermittlung von Entspannungstechniken

über Gesprächstherapie bis zu medikamen-

töser Unterstützung in Kooperation mit

Fachärzten für Psychiatrie und Neurologie.

„Bei uns gibt es beispielsweise auch noch Be-

kologische Betreuung zwar während der

Akutphase im Krankenhaus von den Kran-

kenkassen bezahlt werde, nicht aber im ex-

tramuralen Bereich, also wenn der Patient

wieder daheim ist. Damit komme die Nach-

sorge zu kurz, sind sich Adrian und Isak einig.

„Das Ziel, psychoonkologische Behandlung

für alle, finanziert von der Krankenkasse, ist

der zentrale Wunsch aller Behandler“, be-

kräftigt Göttersdorfer.

NACHBETREUUNG IMMENS WICHTIG.

Und zwar eben auch dann, wenn die medizi-

nische Behandlung abgeschlossen wurde.

„Der größte Bedarf an Beratung und Betreu-

ung besteht im zweiten Jahr nach der Diag-

nose. Jeder, der in der Therapie arbeitet,

weiß, dass erst nach der medizinischen Be-

handlung die psychologische Therapie so

richtig beginnt“, sagt Göttersdorfer. Das

habe viele Gründe: Zum einen seien viele Be-

troffene nach ihrer Akuterkrankung durch

Neuropathien, Dauermüdigkeit und Leis-

tungsschwäche beeinträchtigt. Nicht zu ver-

gessen die Angst vor einem Rezidiv. Studien

zufolge leiden Krebspatienten fünf Jahre

nach Diagnosestellung unter Rezidiv- und

Zukunftsängsten, die wiederum zu psycho-

vegetativen Syndromen wie Schlafstörun-

gen, Müdigkeit oder Erschöpfung führen

können. Ein weiterer Punkt sei, dass die Um-

gebung mit den Rekonvaleszenten oft die

Geduld verliere. „Sie glaubt, dass nach der

letzten Behandlung auf einmal alles gut ist“,

sagt Isak. Dabei würden die Betroffenen

nach vielen Monaten körperlich und psy-

chisch belastender und anstrengender

Untersuchungen, mühevoller Behandlungen

und operativer Eingriffe für die Rückkehr in

den Alltag Zeit brauchen. Das Umfeld würde

wiederum häufig beginnen, Bilanz zu ziehen

und sich neu zu orientieren. „Das gilt für die

Partnerschaft genauso wie für den Freundes-

kreis oder auch den Beruf“, so die Expertin-

nen. Psychologische Betreuung in dieser

Phase sei daher ebenfalls vonnöten.

Der Bedarf an Beratung und Betreuung besteht auch

dann weiter, wenn die medizinische Behandlung

abgeschlossen wurde, und ist im zweiten Jahr nach

der Diagnose am größten.