GESUNDHEITSMAGAZIN
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S
ie gilt als einer der Hoffnungsträger im
Kampf gegenKrebs – die Immunthera-
pie. Sie geht einen völlig neuen Weg:
Nicht der Tumor selbst wird behandelt, son-
dern das Immunsystem des Patienten wird
wieder gegen den Tumor gerichtet. „Es wird
mittels Antikörpern so aktiviert, dass es die
Krebszellen erkennen und daher auch be-
kämpfen kann“, erklärt Matthias Preusser,
Leiter der Klinischen Abteilung für Onkolo-
gie an der Med-Uni Wien. Bei vielen Erkran-
kungen erledigt das Immunsystemdiese Auf-
gabe bravourös:
Sobald Eindringlinge
identifiziert werden, fährt das System hoch
und bekämpft sie. Ist die Gefahr für den Kör-
per vorbei, fährt das Immunsystem seine Ak-
tivität wieder herunter.
Eine wichtige Rolle spielen dabei die soge-
nannten T-Zellen, die zur Gruppe der weißen
Blutkörperchen gehören. Sie aktivieren das
nachgeschaltete Immunsystem oder können
Eindringlinge auch direkt vernichten. Ein-
und ausgeschaltet werden die T-Zellen mit-
tels verschiedener Eiweißrezeptoren
(„Checkpoints“), die in der Regel auf der
Oberfläche der T-Zellen ausgebildet werden.
„Dazu gehören beispielsweise die Proteine
CTLA-4 (Cytotoxic T-Lymphocyte Antigen
4) und PD-1 (programmed cell death 1)“, sagt
Preusser. Weil aber die Tumorzellen „vif“
seien, würden auch sie sich dieses Mechanis-
mus bedienen und sich gleichsam eine Tarn-
kappe in Gestalt von Proteinen aufsetzen.
Für die Erkenntnis, dass Krebszellen dem
Immunsystem aktiv entgehen können und so
vermeiden, abgetötet zu werden, haben die
beiden Forscher James P. Allison (USA) und
Tasuku Honjo (Japan) übrigens im Vorjahr
den Nobelpreis für Medizin erhalten.
Ziel der Immuntherapie sei es, mittels soge-
nannter Checkpoint-Inhibitoren den Krebs-
zellen die Tarnkappe herunterzureißen und
dadurch die Aktivierung der T-Zellen zu er-
möglichen, erklärt Preusser. Das Immunsys-
tem beginne somit wieder zu arbeiten und
aktiv die nun sichtbaren Tumorzellen zu be-
kämpfen. Ein anderer Ansatz, besonders bei
Blut- und Lymphdrüsenkrebs die körper-
eigenen Abwehrkräfte in Stellung zu bringen,
ist die adoptive T-Zell-Therapie. Dabei wer-
den T-Zellen aus dem Körper des Patienten
entnommen und mit Tumor-spezifischen
chimären T-Zellrezeptoren ausgestattet (so-
genannte CAR-T-Zellen). Danach werden
die mit Proteinen versetzten Zellen wieder
dem Patienten zurückgegeben und erkennen
bei ihm die Zielstruktur auf den Krebszellen.
BEI VIELEN KREBSARTEN WIRKSAM.
„Wir haben somit neben Operation, Chemo-
und Strahlentherapie sowie den gezielten
Therapieformen mit der Immuntherapie
eine weitere wertvolle Therapiesäule“, sagt
DominikWolf, Leiter der Uniklinik für Inne-
re Medizin V (Hämatologie & Onkologie) in
Innsbruck. Wurde die Immuntherapie, die
teils als Monotherapie, teils in Kombination
mit anderen Therapieformen angewendet
wird, erstmals für die Behandlung von
schwarzem Hautkrebs (Melanom) zugelas-
sen, wird sie mittlerweile auch bei vielen an-
deren Krebsarten eingesetzt. Gute Erfolge –
bis zur Remission des Tumors – gibt es bei
bestimmten Gruppen von Brust- und Darm-
krebs sowie bei Blasen- und Nierenkrebs.
Auch Tumore im Hals-Nasen-Ohren-Be-
reich und fast jede Art von Lungenkrebs kann
den Experten zufolge mittels Antikörpern
sehr gut behandelt werden. Beim besonders
gefährlichen kleinzelligen Lungenkrebs, der
etwa 15 Prozent der Bronchuskarzinome
ausmacht, stellt die Kombination von Che-
mo- und Immuntherapie überhaupt zum ers-
ten Mal seit 30 Jahren eine neue Therapie-
option dar. „Diesen Patienten haben wir 30
Jahre lang nur eine Chemotherapie verabrei-
chen können. Jetzt geben wir diesen Patien-
ten imStadium4 zur Chemotherapie zusätz-
lich eine Immuntherapie und können somit
das Gesamtüberleben verlängern. Das ist ein
enormer Fortschritt“, so der onkologische
Pneumologe Maximilian Hochmair vom
SMZ Baumgartner Höhe – OttoWagner Spi-
tal in Wien.
EINSATZ SCHON IN FRÜHEREN STADIEN
.
Lange Zeit ist die Immuntherapie primär bei
metastasierten Tumoren, meist im palliati-
ven Stadium, zum Einsatz gekommen. „Wir
Nicht der Tumor
selbst wird behandelt,
sondern das Immun-
system des Patienten
wird wieder gegen den
Tumor gerichtet.
IMMUNTHERAPIE
Onkologie
haben aber gelernt, dass es sinnvoll ist, sie
auch schon früher einzusetzen, etwa gleich
nach einer Operation“, sagt Preusser. Beim
Melanom etwa habe sich dadurch das Rück-
fallrisiko deutlich reduziert. Auch vor dem
chirurgischen Eingriff wird sie zunehmend
angewendet. „Bei der Operation ist dann
deutlich erkennbar, dass Krebszellen zer-
stört wurden“, sagt Preusser.
Doch neben den Erfolgen zeigen sich immer
wieder Limitationen. So sind die Nebenwir-
kungen zwar geringer als bei einer Strahlen-
oder Chemotherapie, aber nicht ganz unge-
fährlich. „Weil das Immunsystem aktiviert
wird, kommt es immer wieder zu Entzün-
dungen – beispielsweise der Lunge, der Le-
ber oder auch des Darms“, sagt Wolf. Diese
könnten jedoch in der Regel mit Kortison gut
behandelt werden. Ein anderer Wermuts-
tropfen ist, dass die Immuntherapie nur bei
manchen Tumor-Subgruppen wirkt. Bei-
spielsweise sprechen Hirn- und Bauchspei-
cheldrüsentumore zumindest derzeit auf die
Behandlung nicht an. „Weitere Forschungs-
arbeiten könnten helfen, durch neue Thera-
pien das Immunsystem auch bei diesen Tu-
moren zu aktivieren“, sagt Preusser.
KREBSZELLEN SICHTBAR MACHEN.
Ein
anderer Forschungsfokus liegt in einem ver-
besserten Verständnis der oft unzureichen-
den Wirkung bei Patienten, da die Immun-
therapie allein nur bei zwei bis drei von zehn
Patienten wirklich erfolgreich ist. „Und zwar
bei jenen, bei denen die Tumor-Erbsubstanz
durch viele genetische Fehler so stark verän-
dert ist, dass in der Folge eine Vielzahl ver-
änderter Eiweiße entstehen. Diese veränder-
ten Eiweiße, beziehungsweise Bruchstücke
davon, werden durch das Immunsystem er-
kannt, wodurch die Krebszellen grundsätz-
lich gut angreifbar wären. Weiß Wolf. „Im-
mun-Checkpoints wie PD-1/PD-L1 legen
dann aber ein Veto ein, welches die Erken-
nung und Elimination der Krebszellen ver-
hindert. Ein Ansatz ist, neue Antigene durch
eine Chemo- oder Strahlentherapie neu zu
erzeugen, um die Immuntherapie durch eine
verbesserte Sichtbarkeit der Krebszellen er-
folgreicher zu machen“, beschreibt der Ex-
perte den Therapieansatz. Um die Immun-
therapieweiter zuverbessern, wird außerdem
die Umgebung des Tumors unter die Lupe
genommen. „Wir wollen den Zusammenhang
zwischen Bindegewebs-, Gefäß- und Im-