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GESUNDHEITSMAGAZIN
munzellen noch besser verstehen. Es gibt
schließlich nicht nur im, sondern auch um
den Tumor herum ein Vielzahl an zusätzli-
chen Angriffspunkten“, sagt Wolf. Man wisse
beispielsweise, dass die Immunzellen über
die Gefäße in den Tumor gelangen. „Mithilfe
der Antiangiogenese, einer medikamentösen
Methode zur Eindämmung, aber auch Nor-
malisierung einer chaotischen Gefäßversor-
gung, könnte es gelingen, das Einwandern
von Immunzellen zu verbessern und damit
das Wachstum von Tumoren noch besser zu
unterbinden“, erklärt Wolf.
MIKROBIOM ALS TUMORMARKER.
Und
noch ein Faktor kann den Erfolg einer Im-
muntherapie maßgeblich entscheiden: Das
Mikrobiom. Pharmaunternehmen arbeiten
bereits daran, die Zusammensetzung dessel-
ben als Biomarker zu verwenden. „Schön
wäre es, wenn man in Zukunft das Darmmi-
lieu dahingehend beeinflussen kann, dass die
Immuntherapie besser wirkt“, sagt Wolf.
Damit ist die Suche nach Biomarkern noch
lange nicht vorbei. „Ein anderer könnte die
Zahl der PD-L1-Proteine im Tumor sein“,
sagt Preusser. Auf Hochtouren läuft weiters
die Suche nach weiteren Eiweißstoffen, die
blockiert werden können. Oder ob die Pro-
teine in Kombination blockiert werden kön-
nen. Letzteres sei jedoch heikel: Werden zu
viele Proteine blockiert, werden die Neben-
wirkungen mehr. „Mit der Immuntherapie
greift man schließlich in ein heikles, ausba-
lanciertes System ein und bringt dieses zum
Kippen“, sagt Preusser, der, wie auch Wolf,
noch viele weiße Flecken imZusammenhang
mit der Immuntherapie sieht. „Wir haben
noch viele Herausforderungen vor uns“, sind
die beiden sich einig.
Ziel sei es in jedem Fall, so die Experten,
maßgeschneiderte Therapien für den indivi-
duellen Tumor zu entwickeln. Dafür forsche
man eben nach neuen, noch wirksameren
Therapiekombinationen und neuen Biomar-
kern. „Das Verständnis für die Interaktion
zwischen dem Tumor und dem Immunsys-
tem ist der Schlüssel, um die Treffsicherheit
der Immuntherapie zu erhöhen“, heißt es
unisono.
Foto: Getty Images
IMMUNTHERAPIE
Onkologie
Die Umgebung beeinflusst
das Tumorwachstum – und
ist daher Ziel neuer
Therapieansätze.
Geschichte der Immuntherapie
Die Idee, körpereigene Abwehrkräfte als
Waffen gegen Krebs einzusetzen, ist nicht neu:
1867 legte der Bonner Chirurg Wilhelm Busch
eine krebskranke Frau in das leere Bett eines
Patienten mit Wundrose, kurze Zeit darauf
schrumpfte der lebensbedrohliche Tumor im
Hals der Frau. Ende des 19. Jahrhunderts
beschäftigte sich der US-Arzt William Coley, der
amMemorial Sloan-Kettering Cancer Center in
New York arbeitete, mit einer Injektionsthera-
pie, die auf der Gabe von Erysipel-Bakterien
(Streptokokken) basierte. Die Bakterien
aktivierten offenbar das Immunsystem und in
etwa zehn Prozent der Fälle konnte der Krebs
besiegt werden.
Ein weiterer Ansatzpunkt waren Impfungen auf
der Basis von dendritischen Zellen. Diese
spielen eine entscheidende Rolle beim
Aufspüren körperfremder Strukturen und beim
Auslösen von Immunreaktionen dagegen. 2010
wurde in den USA die erste Krebsimpfung, die
darauf beruhte, zugelassen. Der kanadische
Immunologe Ralph Steinman, der die
dendritischen Zellen entdeckt hatte, wurde
dafür 2011 – posthum – mit demMedizinno-
belpreis ausgezeichnet.
Mit der Entdeckung, dass Tumorzellen einen
Schutzschild tragen, wurde schließlich ein
weiterer Meilenstein im Zusammenspiel
zwischen Immunsystem und Krebs gesetzt. Für
die Erkenntnis, dass Krebszellen dem Immun-
system aktiv entgehen können und so
vermeiden, abgetötet zu werden, haben die
beiden Forscher James P. Allison (USA) und
Tasuku Honjo (Japan) im Vorjahr den Nobel-
preis für Medizin erhalten.
Gesundheits-
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