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GESUNDHEITSMAGAZIN
SELTENE HAUTERKRANKUNGEN
Forschung
E
s gibt österreichweit „nur“ 500 soge-
nannte Schmetterlingskinder. Dem
hübsch klingenden Namen liegt eine
Genmutation zugrunde, die zu hohem Lei-
densdruck führt: DieHaut dieser Kinder ist so
verletzlich wie der Flügel eines Schmetter-
lings. Bereits bei geringstenmechanischenBe-
lastungen wie einer sanften Berührung oder
einem Händedruck bildet sie Blasen oder
reißt. Was für gesunde Kinder zum Aufwach-
sen gehört – Ballspiele, Bewegung im Freien
oderBalgereienmit anderen, führt bei Schmet-
terlingskindern unweigerlich zu Wunden,
Schmerzen und Komplikationen. Die Blasen-
bildung kann auch denMund, die Speiseröhre,
Augen oder den Verdauungstrakt betreffen –
mit allen nur denkbaren Folgen.
Die Schmetterlingskrankheit, Fachausdruck
„Epidermolysis bullosa“ (EB), zählt mit zwei
bis drei Betroffenen unter 100.000 Men-
schen zu den extrem seltenen Hauterkran-
kungen. Bereits bei weniger als zwei von
10.000 Patienten spricht man von seltenen
Krankheiten – Fallzahlen, die leider oft zu
niedrig sind, um die Forschung zu kostenin-
tensiven Studien zu motivieren. Für die Pa-
tienten bedeutet dies nicht nur geringere
Hoffnung auf Heilung, sondern auch, dass
Therapiemethoden und -leitlinien bisweilen
in den Kinderschuhen stecken bleiben. Zu
den wenigen Ärzten, die sich darauf verste-
hen, müssen Betroffene und ihre Familien
nicht selten weite Anreisen in Kauf nehmen.
Am Landeskrankenhaus Salzburg hat sich,
um Schmetterlingskindern und ihren Ange-
hörigen bestmögliche Hilfe im Umgang mit
der noch unheilbaren Krankheit zu leisten,
bereits vor zwei Jahrzehnten ein kleines
Team von Ärzten verschiedener Disziplinen
und Pflegekräften herausgebildet. Patienten
können sich hier in einer Art „One Stop
Shop“ behandeln und beraten lassen.
EB-HAUS AUSTRIA.
Durch das Engage-
ment der Fachleute und vor allem die Initia-
tive und finanzielle Unterstützung der
Selbsthilfeorganisation für Schmetterlings-
kinder „Debra Austria“ konnte 2005 am Ge-
lände des Salzburger Uniklinikums eine Spe-
zialklinik eröffnet werden: Das Salzburger
EB-Haus, das zum nationalen Zentrum für
EB-Patienten in Österreich und angrenzen-
den Regionen in Süddeutschland, Südtirol
und teilweise aus osteuropäischen Staaten
wurde. Die Klinik, die auf den drei Säulen
Ambulanz, Forschungseinheit und Akademie
(Weiterbildung für EB-Experten aus vielen
Ländern) fußt, wird zumüberwiegenden Teil
aus Spendengeldern getragen. Das Uniklini-
kum und damit das Land Salzburg überneh-
men nur die basalen Infrastrukturkosten.
Ende 2016 wurde das SalzburgerMusterpro-
jekt offiziell zum „Expertisezentrum für Ge-
nodermatosen mit Schwerpunkt Epidermo-
lysis bullosa“. Eswar damit die österreichweit
erste Einrichtung, der der Status eines Zent-
rums für seltene Erkrankungen zuteil wurde.
Erst ein Jahr zuvor war der Beschluss der
Bundes-Zielsteuerungskommission (des in
Österreich zentralen Gremiums zur Planung
der Gesundheitsversorgung) gefallen, Ex-
pertisezentren zu etablieren und dafür einen
Designationsprozess zu entwickeln.
MODELLPROJEKT.
Aus den steigenden Zah-
len von versorgten Patienten könne man
schließen, dass das EB-Haus Austria einMo-
dellprojekt für die Versorgung von Patienten
mit seltenen Krankheiten sei, sagt Primar
Johann Bauer, Vorstand der Universitätskli-
nik für Dermatologie am Salzburger Univer-
sitätsklinikum und Leiter des Expertisezen-
trums. „Unser Konzept ist, dass wir uns für
die komplexen Probleme der Patienten Zeit
nehmen, und so werden meistens nur ein bis
zwei Patienten pro Tag begutachtet und be-
handelt.“
Aktuell mache man vor allem in der lokalen
Behandlung der Hautsymptome der Schmet-
terlingskinder gute Fortschritte. Dies beson-
ders durch die Ex-vivo-Stammzell-Genther-
apie – der Entnahme von Patientenzellen,
deren Gene außerhalb des Organismus ver-
ändert und ihm danach wieder zugeführt
werden. „Hier haben wir gezeigt, dass die
komplette Haut der EB-Patienten gentech-
nisch korrigiert werden kann und Patienten
so an den äußeren Oberflächen geheilt wer-
den können“, sagt Bauer. Weiterhin werden
Möglichkeiten gesucht, auch innere Oberflä-
chen wie Schleimhäute mit systemischer
Therapie behandeln zu können. „Hier ist
noch mehr Forschung notwendig und wir
möchten nicht versäumen, uns bei unseren
Unterstützern zu bedanken.“
Das Salzburger Expertisezentrumwurde zu-
Engagement
für eine Nische
Rund 400 genetisch bedingte, seltene Hautkrankheiten sind
bekannt. Für die wenigsten gibt es wirksame Therapien.
Neue Zentren in Österreich sollen hier Abhilfe schaffen.
ERIKA PICHLER
Im EB-Haus Austria
werden Schmetterlings-
kinder umfassend betreut.
Foto: Debra/Rudolf Hamenter