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GESUNDHEITSMAGAZIN

Gesundheitsversorgung

INTERVIEW

Weltklasse. Aber auch an nichtuniversitären Abteilungen wird ge-

forscht, dabei steht die klinische Forschung im Vordergrund, und es

wird immer wieder in den besten dermatologischen Journalen publi-

ziert. Mit der Melanom-Forschung ist meine Abteilung in der Rudolf-

stiftung in Österreich ganz vorne mit dabei. Und wenn wir in der Ru-

dolfstiftung eine Studie publizieren, deren Ergebnisse in die

internationalenGuidelines aufgenommenwerden, sind das schonMar-

kierungen, die wir in der internationalen Forschung setzen.

Auf der ÖDGV-Homepage findet sich auch

noch das Stichwort „Translationale For-

schung“.

Ja, sozusagen von der Bench

(dem Labortisch,

Anm.)

zum Krankenbett und umgekehrt. Das

hat sich die Gesellschaft auf ihre Fahnen ge-

schrieben.

Wie kann man das fördern?

Das Wichtigste ist, dass man die Jugend be-

geistert, für beides – für die Grundlagenfor-

schung und für die klinische Forschung. Da

gibt es die Science Days der ÖGDV. Und dann

hängt es natürlich von den Abteilungsleitern

ab, wer die Forschung unterstützt. Wenn je-

mand das Talent hat, ein bisschen Lehrer und

Förderer zu sein, dann lässt sich das umsetzen,

auch in Nicht-Universitätskliniken. Es erfor-

dert aber sehr viel Engagement und auch den

Wunsch eines Leiters, selbst an der Wissen-

schaft dran zu sein und zu wollen, dass die Jun-

gen besser werden. Das ist sicherlich meine

Lebensphilosophie.

Wie sehen Sie die österreichische Dermato-

logie im Vergleich mit anderen Ländern?

Die Dermatologie in Österreich wurde durch

große Lehrer entwickelt, ganz besonders durch

Klaus Wolff, der die österreichische dermato-

logische Forschung an die internationale Spit-

zenforschung herangeführt und dort etabliert

hat. In Österreich sind wir zu einem ganz we-

sentlichen, zentralen klinischen Fach gewor-

den, mit einem unglaublich breiten Spektrum. Es gibt kein anderes

klinisches Fachmit dieser Breite an unterschiedlichen Diagnosen, mit

dieser Breite an diagnostischen Verfahren und jetzt auch – wir sind ja

weit über die Kortisonsalbe hinaus – mit dieser Breite an therapeuti-

schenMöglichkeiten. Weil wir einfach so viele unterschiedliche klini-

sche Spezialitäten haben, sind wir jetzt auch mit der Entwicklung der

Biologika und der zielgerichteten Therapie ein unglaublich wichtiges

Fach und haben daher sehr, sehr viele Kenntnisse über dieWirkungs-

weise, über die Anwendung und natürlich auch über die Nebenwir-

kungen, die diese Medikamente auslösen.

Dann kommt noch etwas dazu: Das große Feld der inneren Erkran-

kungen oder der Systemkrankheiten mit Haut- und Schleimhautma-

nifestationen. Manche dieser Erkrankungen werden sogar von Der-

matologen diagnostiziert, weil die dermatologischenManifestationen

im Vordergrund stehen. Denken Sie nur an den systemischen Lupus

erythematodes

(Schmetterlingskrankheit, Anm.)

oder an Dermato-

myositis

(Muskelentzündung mit Hautbeteiligung, Anm.)

und andere

„Kollagenosen“. Seit 50 Jahren sind Patienten mit diesen Hautmani-

festationen imRahmen von Systemkrankheiten fester Bestandteil der

Dermatologie. Das heißt, man muss als Dermatologe eine ganz fun-

dierte klinische Ausbildung haben, um das zu managen. Und das dür-

fen wir nicht verlieren!

Besteht denn die Gefahr, dass das verloren

geht? Im neuenMedizinstudium ist Derma-

tologie an manchen Med-Unis nur noch ein

Wahlfach.

Wenn einMedizinstudium ohne das Fach Der-

matologie abläuft, ist das absurd! Passiert in

Wien. In Graz ist es anders, da ist die Derma-

tologie noch ein eigenes Unterrichtsfach. Viele

Dermatologen, deren Kinder auch Dermato-

logen werden wollen, schicken daher ihre Kin-

der nicht nach Wien, sondern nach Graz zum

Studieren. An der Sigmund-Freud-Universität

wollen die meisten Studentinnen und Studen-

ten einmal Hautärzte werden.

Was würden Sie Medizinstudierenden ra-

ten, die gern Dermatologe werdenmöchten?

Ich würde ihnen raten, Praktika und Famula-

turen an dermatologischen Abteilungen zu

machen und auch ihre Diplomarbeiten an der-

matologischen Abteilungen zu schreiben. An-

ders kriegt man heute an einer Dermatologie

so gut wie keinen Platz mehr. Aber wenn einen

das Team kennt und deine Diplomarbeit gut ist

und du engagiert bist, dann bist du wahrschein-

lich der Kandidat für eine Stelle.

Und im niedergelassenen Bereich? Da ist es

ja vermutlich auch nicht so leicht, eine Kas-

senstelle als Dermatologe zu bekommen.

Nein. Allerdings gibt es jetzt immer wieder den

Umstand, dass eine Kassenstelle nicht nach-

besetzt werden kann, weil es keine Bewerber

gibt, weil die Ausschreibebedingungen so

schlecht sind. Wir haben das Phänomen, dass auch ältere und etab-

lierte Dermatologinnen und Dermatologen irgendwann sagen: „Ich tu

mir den Wahnsinn mit 120 Patienten am Tag nicht mehr an. Ich fühle

mich schlecht als Arzt, wenn ich so wenig Zeit für die Patienten habe.

Ich lege meine Krankenkassenverträge, vor allem mit der Gebiets-

krankenkassa, zurück. Dann habe ich zwar nur mehr die Hälfte der

Patienten, aber für die habe ich doppelt so viel Zeit.“ Das ist eine ganz

legitime, empathische und patientenfreundliche Entscheidung.

Wenn die Krankenkassen wüssten, was ihnen die Dermatologie ab-

fängt! Alleine bei denMelanomen. In der Statistik Austria werden nur

1400 Melanome pro Jahr genannt, aber histologisch diagnostiziert

werden 6000. Das scheint nur nirgends auf. Würde man eigene Unter-

suchungen dazumachen, dann wüsste man aber, wie viel weißer Haut-

krebs – und der hat ja Folgen – von niedergelassenen Ärzten behan-

delt wird.

Foto: Beigestellt

Klemens Rappersberger,

Präsident der

Österreichischen Gesellschaft für Dermatologie

und Venerologie, ist Primarius an den dermato-

logischen Abteilungen an der Krankenanstalt

Rudolfstiftung in Wien sowie im Sozialmedizini-

schen Zentrum Ost (Donauspital). Zudem leitet er

die Ambulanzen in den Kliniken Floridsdorf

(Krankenhaus Nord) und Favoriten (Kaiser-Franz-

Josef-Spital) sowie das Zentrum für Sexuelle

Gesundheit, an dem Sex-Dienstleister untersucht

werden. Rappersberger gilt als leidenschaftlicher

Lehrer seines Faches und leitet an der Wiener

Rudolfstiftung dermatologische Forschung auf

höchstem Niveau.