

Fach- vs. Führungskarriere
Berufseinstieg
gerade benötigt wird. Eine Grafikerin hat
sich auf Websites verlegt, später die Social
Media betreut und heute fährt sie Daten-
auswertungen. Ein Projektmanager hat
Macht und Weisungsbefugnis abgegeben
und sorgt heute als Agile Coach dafür, dass
seine Leute haben, was sie zum Arbeiten
brauchen. Immer die Rolle, die der Firma
gerade am meisten hilft.
Deshalb sagt man heute, statt mit Titeln
um sich zu werfen: „Ich habe am Relaunch
mitgewirkt/an der Agilwerdung/an der
Entwicklung des Produkts XY.“ Oder: „Ich
habe die Verantwortung für das Thema XY
getragen.“ Projektverantwortung zählt so
viel wie früher Mitarbeiterverantwortung.
MEIN BUDGET.
Noch etwas hat an Bedeu-
tung gewonnen: die Fähigkeit – und die
Stärke –, ein eigenes Budget zu verantwor-
ten. Wenn Mitarbeiter in Summe mehr
Eigenverantwortung bekommen, warum
nicht auch für das Budget?
Davon gibt es mehrere: das Projektbudget,
das Teambudget und das Budget jedes Ein-
zelnen. Projekt- und Teambudgets werden
gemeinschaftlich verwaltet, was die Lö-
sungskompetenz der Teilnehmer gewaltig
schult. Für sein Einzelbudget ist jeder Mit-
arbeiter selbst verantwortlich. Er entschei-
det, wie er es nützt. Ob für eine Weiter-
bildung oder für den Besuch einer Konfe-
renz – seine Wahl.
Profis erkennen rasch, wer das Zeug zu
einer echten Fachkarriere hat. Das sind
die, die in die Tiefe gehen, bei allem, was
sie machen. Die trotzdem das große Ganze
(und die Menschen!) im Auge behalten.
Denen Praxis wichtiger als Theorie ist. Die
auch unpopuläre Fragen nicht scheuen.
Und die sich niemals mit „gut genug“ zu-
friedengeben.
D
as stimmt längst nicht mehr. Die Pyra-
mide ist flach geworden. Statt Position
und Autorität zählen jetzt nur mehr Team-
und agile Denke. Flache Hierarchien, das
bedeutet meist Du-Kultur und partner-
schaftlichen Umgangston. Doch weniger
Ebenen bringen automatisch weniger Füh-
rungsjobs mit sich. Die Häuptlinge werden
weniger, die Indianer mehr. Das heißt
nicht weniger Aufstiegsmöglichkeiten. Auf-
stieg ist heute nur anders definiert.
Vorab: Wem es um den Titel auf der Visi-
tenkarte geht, der ist immer noch gut in
globalen Konzernen aufgehoben. Dort gibt
es zwangsläufig mehr Hierarchien und
damit klassische Kaminkarrieren: immer
weiter nach oben.
LETZTER SCHREI: DIE FACHKARRIERE.
Fach-
karriere heißt: Titel zählen nicht, sondern
Rollen. Wichtig ist, ein gleichwertiger Teil
der Gruppe zu sein. Teamplayer statt Ein-
zelkämpfer. Sich einem gemeinsamen Ziel
verpflichtet zu fühlen, das nicht mehr in
Monatshäppchen heruntergebrochen
wird. Das Team bekommt ein Jahresziel.
Wie es dorthin kommt, ist ihm überlassen.
Es gibt Kennzahlen (Key Performance In-
dicators, KPI), die den Fortschritt auch für
die Geschäftsleitung transparent machen.
Aber es gibt keine wöchentlichen Rapports
mehr, keine Monatsmeetings, keine Quar-
talsberichte. Und kein Köpferollen, wenn
etwas schiefgeht. Fehlermachen ist er-
laubt. Manche Firmen feiern sie sogar mit
Fuck-up-Partys. Wer keine Fehler macht,
so die Philosophie, hat nichts riskiert. Und
ohne Risiko keine Innovation.
NICHTS BLEIBT WIE ES WAR.
In der Praxis
heißt das, dass sich jeder in alle möglichen
Richtungen entwickelt. Immer das, was
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