

Purpose
Berufseinstieg
AN DIESER STELLE IST EIN EXKURS NÖTIG.
Viktor Frankl (1905–1997) war ein an-
erkannter Wiener Psychiater und Neurolo-
ge, kongenialer Zeitgenosse von Sigmund
Freud und Viktor Adler. Als Juden wurden
er und seine Familie 1942 deportiert. Vater,
Mutter, Bruder und seine schwangere Frau
kamen in Konzentrationslagern um, er
selbst wurde gefoltert und gequält.
Gab er auf? Natürlich nicht. Frankl erkann-
te, dass man selbst unter fürchterlichsten
Bedingungen einen Sinn im Leben finden
kann. Leid sei manchmal unvermeidlich,
schrieb er, wie wir aber damit umgehen,
sei unsere Entscheidung. Statt sich aufzu-
geben, stellte er sich genau vor, was er in
künftigen Vorlesungen über die Auswir-
kungen des KZ auf die Psyche sagen
würde. Genauso kam es.
WAS DAS MIT DEM JOB ZU TUN HAT?
Die letzte
Freiheit, die jeder hat, ist seine Einstellung
zu seinem Leben, hier: zu seiner Arbeit.
Leistet diese Arbeit einen Beitrag für die
Gemeinschaft, ist sie sinnvoll. Im Zweifel
hilft es, sich ihre positiven Aspekte vor
Augen zu führen. Wir neigen dazu, Positi-
ves als selbstverständlich hinzunehmen
und Negatives laut zu bejammern. Die
Frage lautet: Was an meiner Arbeit würde
mir fehlen, wenn ich es nicht mehr hätte?
Dieses Gute wertzuschätzen, hilft enorm.
Erhellend ist auch die Frage, warum man
jeden Morgen in die Arbeit geht. Wegen
der Kollegen, antworten viele, weil ich zum
Team gehöre. Weil ich etwas lerne. Weil ich
wachse, mich weiterentwickle. Wenn
nicht – Job wechseln. Wobei viele erst
nachträglich erkennen, wofür die ver-
meintliche Sackgasse gut gewesen ist.
denen ihre Leute Sozialprojekte vorantrei-
ben. Oder Hilfesuchende pro bono (also
kostenlos) zu beraten. Oder in der Arbeits-
zeit Innovationen auszutüfteln, die Um-
weltprobleme lösen. Oder Spenden aufzu-
stellen. Oder, oder, oder.
Wem also das Sinnthema unter den Nägeln
brennt, der soll ruhig danach fragen. Und
wer denkt, dass das Unternehmen, bei
dem man sich gerade beworben hat, Dreck
am Stecken hat . . . warum hat man sich
dann eigentlich beworben? Um die Wahr-
heit herauszufinden? Um es besser zu
machen?
DENKEN WIR UNS IN DIE WIRTSCHAFT HINEIN.
Unternehmen sind nicht dafür da, Gewinn
zu machen. Das ist nur die Konsequenz
ihrer Tätigkeit, erläuterte kürzlich der Be-
rater und Philosoph Harald Pichler in den
„Management & Karriere“-Seiten der
Presse (die wir allen, die weiterkommen
wollen, ans Herz legen). Der „Sinn“ von
Unternehmen ist, Kundenbedürfnisse zu
erfüllen – und damit Geld zu verdienen.
Der Kunde muss überzeugt sein, dass die
Leistung wichtig und damit Geld wert ist.
Der Sinn eines Unternehmens kann also
durchaus einfach sein, seine Kunden zu-
friedenzustellen, Mitarbeitern einen Job zu
geben und Lieferanten eine wirtschaftliche
Existenzberechtigung. Durch moralisch
vertretbare Tätigkeit und ethisch einwand-
freies Wirtschaften, versteht sich.
Es ist aber nicht die Aufgabe der Ge-
schäftsführung – und auch nicht die des
direkten Chefs –, jedem Mitarbeiter eine
„erfüllende“ Tätigkeit zu bieten. Diesen
„Sinn“ seiner Arbeit muss er selbst finden.
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