Hexe Marthas Zauber, Henne Lottas Eier
Die Kleinen geben in den Ferien den Ton an, die Großen dürfen mit: Familienurlaub
in Südtirol ist vor allem ein Naturerlebnis — in den Bergen, am Bauernhof,
mit Pferden, Hexen und Blumenwiesen.
Text: Madeleine Napetschnig
Eine Nase aufsetzen? Eine Kutte umhängen? Kommt nicht in Frage, sie sei ja „kein Bajazzo
und kein Kräuterweibele“. Hexe Martha mag authentischere Verkleidungen: Ein paar Kohlestriche
auf die Wangen, ein Kopftüchel und ein sauberes Ausgehgewand, beschreibt sie ihre Dienstkleidung,
mit der sie rund um die Seiser Alm im Einsatz ist. Es sind auch gar nicht die Kleider, die ihre
Aura ausmachen: „Als Hexe wird man geboren. Die Hexe Martha, das bin ich.“
Gebannt hören alle der Geschichtenerzählerin zu, wenn sie im Schatz der Dolomiten-Sagen taucht.
Vor allem um Schlern und Plattkofel, die magischen Berge der Seiser Alm, ranken sich wilde
Geschichten. Man kann sich jedenfalls sehr gut in die Welt der Schlernhexen hineinversetzen,
wenn man an einem der magischen Plätze rastet: Gerne wandert Hexe Martha mit ihrer jungen
Anhängerschar über den Puflatsch zu den Hexenbänken. Vermutlich war diese Steinformation eine
Kultstätte. Die Natur hat hier merkwürdige Steinsäulen aus Augitporphyr geschaffen. Wie Sitze
sehen sie aus.
Nicht wirklich gruselig ist die nächtliche Tour mit Hexe Martha: „Wir marschieren in Kastelruth
durch den Wald“, erzählt sie, „mit schwarz bemalten Gesichtern und Stirnlampen“. Freilich müssen
ausgebildete wie angehende Hexen sich nicht nur der Zauberei und Mystik widmen, sondern auch mit
Praktischem befassen: Sich mit Kräutern auskennen. Mit der Natur arbeiten. Viel über die Umgebung
wissen – was die Kinder dann auf die allgegenwärtigen Spuren von Oswald von Wolkenstein oder in
historische Gemäuer wie das Schloss Prösels in Völs am Schlern bringt.
Neue Freunde auf vier Beinen. Der legendäre mittelalterliche Dichter und Minnesänger ist
rund um die Seiser Alm nach wie vor sehr präsent. So findet jedes Jahr der „Oswald von Wolkenstein-Ritt“
statt (29. bis zum 31. Mai) – ein riesiges Spektakel, bei dem Reiter all ihr Können beweisen. Durch
seine vielen Pferde und Reitställe ist die Region ohnedies ein beliebtes Ziel für Reitferien.
Für Kinder gibt es spezielle Programme, von den ersten Schritten an der Lounge bis zum Ausritt über die
Hochalm. Beim Reitstall von Reinhold Gasslitter, am Oberlanzinhof
(http://www.reiterhof-oberlanzin.com/)
in Kastelruth, zum Beispiel machen
Kinder ab drei Jahren Freundschaft mit den robusten Haflinger-Pferden. Gern helfen die Älteren im Stall
mit: Dürfen Kraftfutter und Heu verfüttern, die Pferde striegeln und satteln. Manche wollen auch dabei
sein, wenn ein Ross beschlagen wird.
An die 25 Pferde hat Gasslitter, viele verbringen den Sommer oben auf der Seiser Alm, vor allem die
Jungpferde des passionierten Reiters, der mit seinem Bruder Georg beim Oswald von Wolkenstein-Ritt schon
öfters gewonnen hat. Über das größte Hochalmgebiet Europas unternimmt er regelmäßig Ausritte – 40
Kilometer lange Touren mit Haflingern und Einkehr auf der eigenen Hütte. „Da oben gibt es Stellen, die
aussehen wie im Wilden Westen“, meint Gasslitter. „Auf der Hartlrunde begegnet man keinem Menschen“.
Spielplatz Natur. Ob sich Familien an einem Urlaubsort wohlfühlen, hängt freilich nicht nur
von konkreten Angeboten für die Kinder ab, sondern auch von der Erschließung der Landschaft. Es
braucht Wege, die leicht und in kurzen Etappen zu bewandern sind, und Orte, an denen man gut
pausieren, spielen und herumtollen kann. So stehen in Südtirols freier Natur viele Rastbänke. Auf
fast jedem Berg gibt es eine urige Hütte, in der die kleinen Gäste nett bedient werden. Und
überhaupt: Es geht nichts über ein Picknick auf einer Waldlichtung, an einer flachen Stelle beim
Bachbett, auf einem markanten Stein. Oder direkt unterm Gipfelkreuz.
In Südtirol können bereits die allerkleinsten Urlauber Höhenluft schnuppern, weil etliche Wege
kinderwagentauglich angelegt sind. Im Eisacktal gibt es viele Routen, auf denen man den Nachwuchs
bequem dahinrollt, sei’s von Alm zu Alm, sei’s rund um Biotope. Logisch, dass in Südtirol auch
Klettersteige angelegt wurden, die Alpinknirpse bewältigen können. Oder Radwege, auf denen die
Mini-Biker herumdüsen.
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Dolomiti Ranger. Familienurlaub in Südtirol ist oft „Ferien wie damals“ – erlebnisreich,
unbeschwert und mitten in frischer Natur. Wobei sich den Kindern Tier- und die Pflanzenwelt auf
eine selbstverständliche Weise eröffnen – Wald und Wiese, Berge und Bäche liegen ja vor der
Haustür.
Aber wie aufregend ist es erst, wenn man etwa durch den Hochwald pirscht und erkennt, welche
Fährten zu welchem Tier gehören. Oder man von den Steinen ablesen kann, dass die Dolomiten einst
ein Korallenriff waren. In einigen Südtiroler Naturparks sind die Naturpark-Ranger mit neugierigen
Nasen in den Bergen unterwegs. Sie bringen ihnen die Welt der Murmeltiere und Alpenblumen, der
Geologie und des Wetters näher.
Der Spaß kommt bei solchen Dolomiten-Exkursionen nicht zu kurz, man watet barfuß durch den Bach,
inspiziert Ameisenhügel und beobachtet Tiere mit dem Fernglas. Wer bei solchen Touren mitmacht,
wird selbst ein „Dolomiti-Ranger“ – und kann den Großen bei der nächsten Tour einiges erklären.
In den Naturparkhäusern taucht man noch weiter in die Materie ein, das jüngste, das Naturparkhaus
Puez-Geisler im Villnösstal, ist ein gutes Beispiel dafür, wie man Inhalte modern und spielerisch
präsentiert. Wetten, dass auch die wenigsten Erwachsenen Tierfelle, Gebisse oder Vogeleier
unterscheiden können? Die „Wunderkammer Natur“ macht schlauer.
Urlaub beim Roten Hahn. Am Puls der Natur sind Familienurlauber vor allem auf einem
Bauernhof. Den richtigen zu finden, ist einfach: In Südtirol liegen die Höfe bis weit in die
Berge hinauf, im Gegensatz zu anderen Ländern wird hier die Landwirtschaft nicht aufgegeben,
sondern weitergeführt – und um Ferienwohnungen und Zimmer, Hofschank oder -laden ergänzt.
Allein 1600 Betriebe vermarkten sich unter dem Label „Roter Hahn“ und erfüllen dabei strenge
Qualitätskriterien bei Ausstattung und Angebot. Auch die passende Art von Bauernhofurlaub
zu buchen, fällt leicht bei all den Varianten zwischen Bergbauernhof und historischen Anwesen,
Wein- und Reiterhof.
Täglich in den Stall. „Jeden Abend gehen die Kinder in den Stall um mitzuhelfen.
Und wenn sie nicht rechtzeitig zurück am Hof sind, dann stehen sie um fünf Uhr auf, um
dabei zu sein“, erzählt Agatha Walder. Auf dem Mudlerhof in Gsies
(
http://www.mudlerhof.it/)
leben die kleinen Gäste bäuerlichen Alltag mit, es kommen auch Schulklassen, um zu lernen,
wie man Brot backt, Joghurt und Frischkäse zubereitet oder mit Kräutern umgeht.
Walder war früher Volksschullehrerin und vermittelt gern Zusammenhänge – etwa den Weg von
der Kuh zur Milch oder die Arbeiten, die am Hof anfallen. Interesse findet selbst das
Thema Energie – „unser Hof ist autark. Mit dem Stallmist gewinnen wir Biogas. Und wir
haben ein eigenes Wasserkraftwerk.“
Ihr Mann Peter sei da ein echter Spezialist, meint Walder. Und die Kinder nennen ihn
mitunter „Superman-Bauer“. Er gibt ihnen auch Aufgaben und traut ihnen zu, auf Tiere zu
schauen. „Kinder brauchen das: Verantwortung für etwas übernehmen dürfen“. So ist Walder
immer wieder erstaunt, wie begeistert Teenager sich in die Stallkleidung werfen anstatt
in Social Media abzutauchen. „Viele wollen hier wieder Kind sein.“
Eines ist schon lange Ritual auf dem Mudlerhof: „In der Früh gehen die Kinder in den
Hühnerstall ihr Ei holen. Zu jeder Ferienwohnung gehört ein Hühnernest.“ Und wie man
erkennt, dass es sich lohnt nachzusehen? Wenn Lotta, Gulla oder Berta ein Ei gelegt
haben, krähen sie in die Welt hinaus: „Ich hab meine Arbeit getan, ich hab nun
Feierabend“, erklärt Walder und schmunzelt, „aber das weiß kein Städter“.
Tipps: Ein Familiensommer in der Region Seiser Alm umfasst Programme wie
„Hexenzauber“ oder „Erlebnis Bauernhof“, bei dem man von Hof zu Hof zieht.
http://www.seiseralm.it/
Mit dem Kinderwagen kann man auf den mittleren Höhen des Eisacktals gut unterwegs sein.
http://www.eisacktal.com/
Dolomiti Ranger werden Kinder im Naturpark Fanes-Sennes-Prags, Puez-Geisler, Schlern-Rosengarten.
http://www.suedtirol.info/
Der „Rote Hahn“ bietet Ferien am Bauernhof.
http://www.roterhahn.it/,
Mehr zum Thema Reiten rund um die Seiser Alm:
http://www.ovw-ritt.com/,
Fotos: Detailsinn Fotowerkstatt, Südtirol Marketing/Max Lautenschläger, TVB Eisacktal/Alex Filz